2016-08-01 10:50:00 CET
Ein letzter Triumph vor dem Karriereende
Reinder Nummerdor war total fokussiert. 20 Punkte erzielte der Niederländer beim Auftaktspiel an der Copacabana, das er und sein Partner Christiaan Varenhorst 21:16 und 21:13 gegen die Chilenen Grimalt/Grimalt gewannen. Der erste Sieg ist da beim größten aller Turniere. Doch, den Fokus zu behalten, ist für den 39-Jährigen gerade gar nicht so einfach: „Wenn ich spiele, dann spiele ich“, sagt er. „Wenn ich aber nichts tue und zum hundertsten Mal in meinem Hotelzimmer herumsitze, ist es härter. Dann wünsche ich mir, zu Hause zu sein.“
Zum fünften Mal ist Reinder jetzt bei dem im Vier-Jahres-Rhythmus wiederkehrenden Turnier dabei, zweimal als Hallenspieler, und jetzt zum dritten Mal als Beach Volleyballer. Er ist damit ein Absoluter Ausnahmeathlet. Er liebt den Wettkampf, doch seit Mitte Juli zieht es ihn mehr denn je in seine Heimat: Vor gerade erst drei Wochen brachte seine Frau Manon Nummerdor-Flier die erste gemeinsame Tochter zur Welt. Reinder war gerade auf dem Heimweg vom Gstaad Major, schaffte es aber nicht rechtzeitig herum, und hörte die Geburt von Milou daher nur per Handy-Lautsprecher im Auto mit. Jetzt ist er in Brasilien und verpasst die ersten Entwicklungsschritte seines Kindes. „Am Anfang geht alles so schnell, und die Kinder wachsen so sehr, da will man eigentlich nichts verpassen“, sagt Reinder. Zehn Tage wird er wohl aber noch fort bleiben müssen, wenn er sich seinen Traum von Edelmetall bei seiner fünften Teilnahme erfüllen will.
Ab in die Babypause
Es wäre die letzte Trophäe für den 39-Jährigen. „Ich werde zu 99,9 Prozent nach dieser Saison aufhören“, sagt er. „Es ist wirklich genug. Die ganzen Reisen, und vor allem das tägliche Training werden für mich einfach immer härter.“ Nach seinem Karriereende plant er erst einmal eine Babypause. Ehefrau Manon soll dann wieder ihrer Volleyball-Karriere nachgehen. Die ehemalige Hallen-Nationalspielerin brachte für die Geburt ein großes Opfer: Sie verpasst das Turnier in Brasilien, für das sie sich als erste Diagonalangreiferin der niederländischen Volleyball-Nationalmannschaft schon drei Mal vergeblich versucht hat, zu qualifizieren. Dieses Mal ist es dem Team zum ersten Mal seit 1996 gelungen – Manon aber bleibt mit der Neugeborenen zu Hause. „Für meine Frau ist das alles viel schwieriger als für mich“, sagt Reinder.
Sie flog auch nicht mit, „Das finde ich auch gut, es fühlt sich sicherer an, wenn ich sie und die Kleine zu Hause weiß“, sagt Reinder. Seinen Partner Christiaan Varenhorst hätte er aber schon gern am vergangenen Dienstag mitgenommen, doch der hatte sich nach dem Klagenfurt Major einen fiebrigen Infekt zugezogen und konnte dadurch erst am Donnerstag nachkommen. „Das war alles andere als optimal, und wir hatten ehrlich Bedenken, ob er zum ersten Spiel fit sein kann“, sagt Reinder. Christian überzeugte ihn aber zum Auftakt vom Gegenteil, erzielte sieben Blockpunkte gegen Chile und spielte einfach „hervorragend“, befindet Reinder. Genauso soll es jetzt weitergehen, erst in der Gruppe mit den Russen Semenov/Krasilnikov und den Polen Fijalek/Prudel und dann in der K.o.-Runde, möglichst bis aufs Podium. „Es wäre unglaublich schön, wenn ich meine Karriere so beenden könnte“, sagt Reinder.
Vor vier Jahren, nach dem vierten Platz in London, hatte er schon einmal mit dem Gedanken gespielt, seine Karriere zu beenden. „Ich hatte damals eine schlimme Knieverletzung“, erklärt er. Außerdem stand er nach dem Karriereende von Richard Schuil ohne Partner da. Schon damals wollte Reinder gern mit Christiaan Varenhorst zusammenspielen, doch er musste sich noch bis 2014 gedulden. „Ohne Christian hätte ich da schon aufgehört“, sagt er. Stattdessen erlebte Reinder einen zweiten Frühling mit seinem 26-jährigen Partner. In dieser Saison haben sie nur zwei Mal ein Ergebnis außerhalb der Top Ten erzielt: Beim Klagenfurt Major wurden sie 17., weil Nummerdor wegen Kniebeschwerden abbrach, und auch beim ersten Grand Slam der Saison hier an der Copacabana stand am Ende nur Platz 17. Diese Platzierung schließt Reinder auch jetzt nicht aus. „Das Feld ist einfach so eng und stark besetzt, hier kann jeder jeden schlagen“ – wünschen würde er sich aber etwas anderes – auch im Hinblick auf das World Tour Final in Toronto. „Dafür brauchen wir eine Wild Card, und um die zu bekommen, müssen wir hier an der Copacabana gut abschneiden.“