2016-07-21 11:24:00 CET
Zum ersten Mal in der Geschichte entsendet Kanada vier Beach Volleyball Teams zu den Olympischen Spielen. Sam Schachter hat gerade das letzte Ticket erspielt, aber bevor es losgeht, muss er sich in Klagenfurt noch einem inneren Konflikt stellen.
Für Josh Binstock und Sam Schachter wurde der Qualifikationsprozess für die Olympischen Spiele beinahe zur Endlosschleife. Vier Wettbewerbe mussten sie durchlaufen, bis sie endlich ihr Ticket nach Rio de Janeiro lösen konnten. Zuerst fehlten nur 450 Punkte für die direkte Qualifikation über die Rangliste, dann zogen sie beim NORCECA Continental Cup ins Finale ein, mussten aber Kuba beim Jubeln zusehen. In Sotchi beim Continental Final konnten sie zusammen mit Sam Pedlow und Grant O’Gorman endlich das vierte Olympia-Ticket für Kanada erspielen, doch welches Team sollte nun fliegen? In einem packenden Drei-Satz-Duell setzten sich Binstock/Schachter am Samstag schlussendlich gegen ihre Landsmänner durch – härter kann man sich eine Olympia-Teilnahme kaum erarbeiten.
„Dieser ganze Qualifikationsprozess war der Wahnsinn, und natürlich extrem Nerven aufreibend“, sagt Sam. „Jetzt kommt Olympia, das ist verrückt. Ich bin megaaufgeregt und weiß gar nicht so recht, was mich dort erwartet.“ Ein Lebenstraum wird Wirklichkeit für den 26-Jährigen, inspiriert von John Child und Mark Heese, die 1996 Bronze in Atlanta holten – die bislang einzige Olympia-Medaille eines kanadisches Beach Volleyball Teams.
Beach Volleyball Boom im Mutterland des Eishockeys
Heute, zehn Jahre später, könnten die Chancen kaum besser stehen für Kanadas Medaille Nummer zwei. Zum ersten Mal überhaupt nehmen vier Beach Volleyball Duos an den Spielen teil, und mit Sarah Pavan und Heather Bansley, Ben Saxton/ Chaim Schalk und Jamie Lynn Broder/Kristina Valjas begleiten Binstock/Schachter drei Duos an die Copacabana, die auch schon einige Podestplatzierungen auf der FIVB World Tour errungen haben. Bis auf Sams Partner, der Chiropraktiker Dr. Josh Binstock (35), der bereits 2012 in London teilnahm, hat noch keiner von ihnen Olympia-Erfahrung. „Nach John Child und Mark Heese hatten wir so eine Art Alterslücke, es kamen nicht viele Spieler nach“, erklärt Sam. Die neue Stärke Kanadas hänge auch mit Lennard Krapp zusammen, glaubt er. Der deutsche Trainer kam 2009 nach Kanada und implementierte ein Entwicklungsprogramm für den Sport, inzwischen haben Sam und Josh ihn als ihren eigenen Trainer engagiert. „Er hat einen großartigen Job gemacht“, sagt Sam.
Jetzt hofft er, dass gute Ergebnisse in Rio den Sport in Kanada noch weiter voranbringen können. „Bislang hatten wir kaum Fördergelder“, sagt Sam. Generell finanzieren die Athleten alles aus eigener Tasche. „Andere Nationen haben Trainer, Physios oder Ärzte mit auf der Tour, wir waren immer alleine unterwegs, das ist ein bisschen, als würde man mit Mistkabeln gegen Kanonen kämpfen“, sagt er. Kanada ist Mutterland des Eishockeys, die meisten Gelder sind dort gebunden, doch Beach Volleyball holt auf: Im September gastieren zum ersten Mal die Swatch Beach Volleyball FIVB World Tour Finals in Toronto. „Ich bin so glücklich darüber und dankbar, dass Majors Series Toronto“ ausgesucht hat“, sagt Sarah Pavan. „So können die Menschen hier Beach Volleyball auf dem höchsten Niveau sehen und sich inspirieren lassen.“ Sam, der mit seinem Unternehmen On2 Volleyball Jugendlichen und Erwachsenen durch Camps und Trainings hilft, ihr bestes Niveau im Beach Volleyball zu erreichen, ist sich sicher, dass das Stadion richtig voll werden wird. „Bei den Pan American Games war Beach Volleyball bereits eine der meist besuchten Sportarten, die Begeisterung war unglaublich“, sagt er.
Klagenfurt ist ein Muss
Doch zunächst einmal steht Olympia vor der Tür, und dort haben Josh and Sam eine ziemlich harte Gruppe zu überstehen: Sie treffen auf die Italiener Ranghieri/Carambula, die Österreicher Doppler/Horst, und gleich im Auftaktspiel auf die top gesetzten Brasilianer Alison/Bruno. „Wir konnten die beiden bislang noch nie besiegen, aber Olympia ist doch ein perfekter Moment, um damit einmal anzufangen“, sagt Sam. All die Spiele unter dem massiven Druck in den vergangenen Wochen, waren die perfekte Vorbereitung dafür, glaubt er. „Alison/Bruno hatten in dieser Saison noch nicht so viel Druck, das kann ein Vorteil für uns sein“, sagt Sam. „Die spielen gegen uns das erste Spiel vor ihrem heimischen Publikum, da kann alles passieren.“
Beim Klagenfurt Major werden die beiden Teams sich definitiv nicht begegnen, denn Alison/Bruno sind bereits in Rio. Auch Pavan/Bansley fliegen schon am Sonntag, um sich länger an der Copacabana vorzubereiten, und werden das Turnier daher verpassen. „Wir wollten aber unbedingt Klagenfurt spielen, ich war noch nie da, also ist es ein Muss“, sagt Sam. Major Turniere sind ohnehin sein Ding, und dabei denkt er nicht an die Silbermedaille, die er und Josh im vergangenen Jahr in Poreč gewonnen haben. „Die Desserts beim Major sehen einfach unglaublich aus“, schwärmt Sam. „Ich bin da echt in einem Konflikt. Ich möchte unbedingt gut spielen und das Turnier gewinnen, aber wenn ich früher rausfliege, könnte ich vielleicht endlich mal von diesen Köstlichkeiten naschen.“ Dieser Kampf gegen sich selbst scheint beinahe härter zu sein, als die Olympia-Qualifikation.